Good Practice: Mut zur Selbstkritik

National Geographic: Das Magazin beauftragte im Jahr 2018 einen unabhängigen Historiker damit, die eigene, über hundert Jahre andauernde Berichterstattung auf Rassismus zu untersuchen. Die Ergebnisse waren erschütternd. Die Zeitschrift veröffentlichte sie unter der Überschrift „For Decades, Our Coverage Was Racist. To Rise Above Our Past, We Must Acknowledge It“. National Geographic wurde für seine Courage von vielen Seiten als vorbildhaft gefeiert. 

Augsburger Allgemeine: Im Juli 2021 machten die beiden Regionalzeitungen ihre neuen Leitlinien zu gendergerechter Sprache öffentlich. Unter der Überschrift „Wie wir unseren Weg in der Gender-Debatte gefunden haben“ gab die Redaktion der Augsburger Allgemeinen auch Einblick in den internen Diskussionsprozess: transparent, nachvollziehbar und selbstkritisch.

DER SPIEGEL: Zum Weltfrauentag 2021 zählte die Redaktion, wie häufig Männer und Frauen in den eigenen Beiträgen vorkommen. Das Ergebnis von rund 40.000 ausgewerteten Artikeln: 107.000 Männern standen nur 28.000 Frauen gegenüber. SPIEGEL-Chefredakteur Steffen Klusmann kündigte an: „Da muss sich was ändern”. 

taz: 2016 übernahmen Menschen mit Behinderung die taz für eine Sonderausgabe. Die stellvertretende Chefredakteurin Katrin Gottschalk nutzte damals die Gelegenheit, um darauf hinzuweisen, dass es auch in ihrer eigenen Redaktion an Journalist*innen mit Behinderung mangele.

Wir verstehen es als Pflicht, uns durch eine ständige, kritische Auseinandersetzung mit Sprache, Bildauswahl, Themen und der Ablehnung von stereotypischen Darstellungen zu positionieren und unsere Reichweite dazu zu nutzen, die Welt so zu zeigen, wie sie ist – vor und hinter der Kamera. Das erfordert vor allen Dingen, sich selbst immer wieder zu hinterfragen, dazuzulernen und zu diskutieren, denn es gibt noch viel zu tun.
Alexandra Bondi de Antoni, Chefredakteurin, Vogue.de

Good Practice: Mit neuen Themen und Perspektiven zu neuen Zielgruppen

  • Mit Themen und Moderator*innen, die sich auch an ein queeres Publikum wenden und ihre Themen aufnehmen, feierten der ZEIT-Ableger ze.tt sowie funk-Formate wie „Auf Klo“ respektable Erfolge. 
     
  • Der Queerspiegel vom Tagesspiegel und Querfragen oder „Kreuz und Queer“ von evangelisch.de halfen mit, etablierten Medien ein neues zeitgemäßes Image zu verschaffen.
     
  • Queere TV-Formate wie „All You Need“ (ARD), „Loving Her” (ZDF) und „Prince/ss Charming” (VOX) erreichten hohe mediale Aufmerksamkeit.
Gastbeitrag: Besser über LSBTIQ* berichten

Von „Geschlechtsumwandlungen“ und „Schwulenparaden“

von Markus Ulrich

Wer wird wann wie wo repräsentiert – oder eben gerade nicht? Repräsentationen sind politisch und umkämpft. Lesben, Schwule, Bisexuelle und transgeschlechtliche Menschen (LSBT) kommen in der Berichterstattung kaum vor und wenn, dann prägen zu oft Klischees und Stereotype die Narrative. Es geht daher nicht ausschließlich um Sichtbarkeit per se, sondern immer auch um die Art und Weise der Sichtbarkeit.

1. selbstverständlich

LSBT kommen in Artikeln meistens nur vor, wenn es explizit um LSBT geht. Einige Redaktionen haben dankenswerterweise angefangen, auch gleichgeschlechtliche Paare zu zeigen und zu fragen, wenn es um prinzipielle Themen wie Partnerschaft, Familie oder Sexualität geht. LSBT sind Teil der Gesellschaft und sollten als Protagonist:innen auch in anderen Themen vorkommen – sei es in Berichten über Gesundheit, Alter, Schule, Migration, Jugend, Leben auf dem Dorf etc.

2. vielfältig

LSBT sind keine homogene Gruppe. Ihre Diversität fehlt aber oftmals in der Berichterstattung. Wenn der CSD als „Schwulenparade“ bezeichnet wird, fallen etwa Lesben, bisexuelle oder nicht-binäre Menschen wie so oft unter den Tisch. Außerdem werden Erfahrungen von LSBT auch durch etwa Hautfarbe, Staatsbürgerschaft, Religion, soziale Herkunft, Alter oder Vorhandensein einer Behinderung geprägt. Als Journalist*in diese Diversität zu zeigen verhindert auch, Klischees und Stereotype zu reproduzieren und LSBT auf ihre sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identität zu reduzieren.

3. diskriminierungskritisch

In Artikeln über Gewaltvorfälle findet sich oft eine implizite Täter-Opfer-Umkehr. Denn es kommt nicht zu Gewalt oder Diskriminierung, weil das Opfer trans: ist oder ein gleichgeschlechtliches Paar Händchen hält, sondern weil die Täter:in homo- oder transphob ist. CSDs werden in fast allen Berichten als „schrill“ beschrieben, ein Wort, das negative Assoziationen und Abwehr weckt. Dafür wird bestenfalls noch das Motto der Demonstrationen erwähnt. Die oftmals sehr konkreten politischen Forderungen werden ignoriert, obwohl jeder CSD-Verein diese aufstellt.

Gänzlich abwegig wird es, wenn etwa Bilder von CSDs als Symbolbilder für Berichte über die Verfolgungsgeschichte von LSBT in Deutschland oder den Alltag von LSBT herhalten müssen. Beliebt sind aber auch anonyme Bilder händchenhaltender Männer von hinten, die kaum Empathie ermöglichen.

4. trans*sensibel

Die Verwendung falscher Personalpronomen, früherer Namen und alter Fotos vor dem Coming-out ist ein No-Go in der Berichterstattung über trans: Personen. Auch Formulierungen wie „war früher mal ein Mann“ oder „als Mädchen geboren“ sind falsch, denn sie implizieren, dass die Geschlechtsidentität von trans: Personen nicht ihr „wirkliches“ Geschlecht ist.

Der Begriff der „Geschlechtsumwandlung“ geht ebenfalls nicht. Denn wenn überhaupt wird der Körper an die Geschlechtsidentität angeglichen. Aber Fragen nach geschlechtsangleichenden Maßnahmen sind prinzipiell sehr übergriffig und voyeuristisch. Oder wie würden Sie sich fühlen, wenn jemand Sie nach Ihren Genitalien fragt? Um zu verdeutlichen, dass Transgeschlechtlichkeit auch nichts mit Sexualität zu tun hat, sollte der Begriff „transsexuell“ eher nicht verwendet werden

5. verantwortungsvoll

Provokativ herabsetzende Aussagen gegen LSBT bringen Clicks und damit Geld. Medien sollen und müssen auch Meinungsvielfalt abbilden, aber sie stehen auch in einer ethischen Verantwortung, Diskriminierung und Ressentiments nicht zu befördern. Als Beispiel sei hier die Akzeptanzförderung in Kindergärten und Grundschulen genannt, die mit dem rechtspopulistischen Kampfbegriff der „Frühsexualisierung“ skandalisiert und diffamiert wird. Dabei wird (bewusst?) verkannt, dass es bei diesen Initiativen gar nicht um sexuelle Praktiken geht, sondern lediglich um Darstellung unterschiedlicher Familienformen und Geschlechterbilder.

Markus Ulrich ist Pressesprecher beim Lesben- und Schwulenverband (LSVD), der größten Bürgerrechtsorganisation für die rechtliche Gleichstellung und gesellschaftliche Akzeptanz von Lesben, Schwulen, bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen in Deutschland und leitet dort seit 2014 auch das Hauptstadtbüro des Verbandes.

Behinderte Menschen sind nicht nur behindert

Ambivalent ist auch die Berichterstattung über Menschen mit Behinderung: Einerseits wird über große Ereignisse wie die Paralympics immer mehr berichtet, andererseits kommen behinderte Menschen in den Medien immer noch nicht zu Wort, selbst wenn sie direkt betroffen sind.

Nach der Ermordung von vier Menschen mit Behinderung in einer Wohnstätte in Potsdam im April 2021 werden der Pressesprecher der Einrichtung, Polizeipsycholog*innen und Seelsorger*innen zu der Tat befragt, doch die Stimme von behinderten Menschen fehlt. Dabei gehört es schlicht zum Handwerk von Journalist*innen, mit den unmittelbar betroffenen Menschen eines Ereignisses zu sprechen.

Journalist*innen in Rollstühlen

Zu oft ist auch immer noch lediglich die Diagnose von Menschen mit Behinderung interessant. Viele Schlagzeilen des funk-Formats TRU DOKU zielen beispielsweise nur darauf ab. So heißt es dort: „Leben mit Mukoviszidose” oder „Mein Leben mit ALS” oder „Mein Leben mit chronischer Migräne”. Auch wenn es in den Video-Beiträgen dann nicht nur um die Behinderung der Protagonist*innen geht, bleibt sie trotzdem der Aufhänger und der Grund der Berichterstattung.

Mindestens so eindimensional sind Beiträge, in denen Journalist*innen ohne Behinderung sich in Rollstühle setzen oder verdunkelte Brillen aufziehen, um zu berichten, wie barrierefrei unsere Städte sind oder wie blinde Leute leben. Anstatt einfach Menschen mit Behinderung zu fragen, ihren jahrelangen Beobachtungen oder Erfahrungen zum Thema zu trauen und sie ins Zentrum zu rücken, veranstalten sie eine Maskerade und machen eher Unterhaltung als Journalismus. Das mag für manches Publikum vielleicht erhellend sein, für viele Betroffene ist es eher erniedrigend.

Alle Lebensrealitäten abbilden

Ein Beitrag im Deutschlandfunk Kultur vermeidet beides: Im Interview mit der Rabbinerin Julia Watts Belser, die mit dem Rollstuhl unterwegs ist, geht es nicht um ihre persönliche Diagnose oder darum, wie sie durch die Stadt kommt, sondern um Fragen wie „ist der Himmel barrierefrei?” oder „hat Gott auch eine Behinderung?”.

Behinderte Menschen sind oder werden nicht nur behindert, sie haben Interessen, sind Wähler*innen oder Konsument*innen. Ihre Meinung und Lebensrealität sollte also bei allen gesellschaftlichen Themen eine Rolle spielen. Das reicht von der Politik über die Klimakrise bis zur Geschlechtergerechtigkeit.

Checkliste für mehr Perspektiven und weniger Klischees

Wer weniger einseitig berichten und vielfältige Positionen, Blickwinkel und Themen berücksichtigen will, kann sich bei der journalistischen Arbeit regelmäßig die folgenden Fragen stellen:

 

Was ist meine persönliche Einstellung zum Thema?

In den Redaktionen arbeiten keine Nachrichtenautomaten, die zuverlässig objektive Wahrheiten ausspucken, wenn man ein beliebiges Weltgeschehen in sie hineinsteckt. Der Bias, also die verinnerlichten, unbewussten Vorurteile von Journalist*innen, wirken bereits bei der Entscheidung mit, welchen winzigen Ausschnitt der Wirklichkeit sie für berichtenswert halten. Professionelle Berichterstattung beginnt deshalb damit, sich die eigenen Interessen, Einstellungen, Erfahrungen und Vorlieben bewusst zu machen. Wer seine persönliche Perspektive negiert und seine Sicht der Dinge für allgemeingültig hält, ist dem eigenen begrenzten Blick auf die Welt nur umso mehr ausgeliefert.

 

Bilde ich vielfältige Perspektiven auf mein Thema ab? 

Es lohnt sich, jedes Thema aus möglichst vielen Perspektiven zu betrachten, bevor man sich dafür entscheidet, wie der Bericht schließlich aussehen soll. Journalist*innen neigen dazu, gesellschaftliche Debatten auf Mannschaftswettkämpfe zu verkürzen: Team Kopftuch gegen Team Neutralität. Team Anti-Rassismus vs. Team Meinungsfreiheit. Team Klimaschutz vs. Team Wirtschaft. 
Doch die Realität bietet weit mehr Facetten. Ein Gespräch mit Fachleuten kann eine gute Einordnung liefern und die eigene Perspektive erweitern. Vielleicht gibt es ja auch jemanden in Ihrer Redaktion, der oder die auf neue Perspektiven aufmerksam machen könnte. Wenn nicht, sollte das thematisiert werden.

 

Kommen Betroffene zu Wort? 

Dass im TV ausschließlich weiße Gäste miteinander über Rassismus, Heterosexuelle über Homophobie und Menschen ohne Behinderung über Teilhabe im Bildungssystem reden, kommt zwar immer noch vor, sorgt aber mittlerweile immerhin für Unmut. Aber auch bei allen anderen Themen sollten Medien die gesamte gesellschaftliche Vielfalt abdecken. Schließlich betreffen Themen wie Rente, Corona und die Bierpreise auf dem Oktoberfest uns alle.

Einige Gruppen bleiben übrigens auch deshalb außen vor, weil sie nicht über die nötigen Ressourcen verfügen und keine professionelle Pressearbeit mit Ansprechpersonen bieten können. Das ist ein erschwerender Umstand für Journalist*innen, aber keine Ausrede. Wie Sie den beheben können, erfahren Sie hier.

 

Nehme ich die Täter*innen-Perspektive ein?

Vor allem in der Berichterstattung über Hasskriminalität geschieht es häufig, dass Journalist*innen Täter*innen und Opfer vertauschen. Ein schwules Paar wurde nicht niedergeschlagen, „weil sie sich küssten”, eine Ehefrau wurde nicht ermordet, „weil sie sich trennen wollte”, ein Jude wurde nicht angespuckt „weil er eine Kippa trug”, eine Frau wurde nicht angegriffen „weil sie ein Kopftuch trug”. Menschen werden Opfer von Gewalt aufgrund homofeindlicher, misogyner oder antisemitischer Einstellungen der Täter*innen. Überschriften wie „Sie musste sterben, weil sie ein Kopftuch trug“ nehmen ausschließlich die Sicht der Täter*innen ein. Das muss man wollen und nicht aus Versehen tun.

 

Hinterfrage ich Klischees? 

Journalist*innen sind beides: Chronist*innen und Akteur*innen gesellschaftlicher Diskurse. Vor allem bei der Berichterstattung über gesellschaftlich benachteiligte Minderheiten sollten sie Vorurteile hinterfragen, die allgemein vorherrschenden Standpunkte nicht als gegeben hinnehmen, sondern analysieren und einordnen.

Handelt die Geschichte wirklich von „arabischen Großfamilien“ oder waren es vielleicht doch nur drei Halbstarke in Berlin-Neukölln? Stimmt es überhaupt, dass Menschen mit Behinderung immer „unter ihrem Schicksal leiden”? Haben bisexuelle Menschen wirklich besonders häufig wechselnde Partner? Und gibt es tatsächlich Karrierefrauen, aber nie Karrieremänner?

Journalist*innen sind nicht davor gefeit, Klischees auf den Leim zu gehen. Mit professioneller Berichterstattung hat das Ergebnis dann nicht mehr viel zu tun.

 

Gehe ich Populist*innen auf den Leim?

Das Verbreiten von Klischees und Unwahrheiten ist der erste Schritt, um gesellschaftliche Stimmungen und Debatten zu erzeugen, die nichts mit der Realität zu tun haben. Oft ist es nur ein kleiner Spin, der aus einem unbedeutenden Ereignis einen medialen Aufreger macht: Wollen „die Muslime“ wirklich „unser Weihnachten“ verbieten oder stammt die Aussage ursprünglich von irgendeinem Typen im Netz? Hat die Gender-Professorin wirklich Sprechverbote gefordert oder vielleicht einfach einen Vorschlag gemacht? Ist die neue Kita-Broschüre wirklich etwas für Seite 1 oder nicht doch ein Thema für den nächsten Elternabend?

Es gehört zur Strategie von Populist*innen, mit gezielten Provokationen und Tabubrüchen ihre Thesen in die Öffentlichkeit zu bringen. Es gehört zum Job von Journalist*innen, nicht darauf hereinzufallen.

 

Polarisiere ich unnötig?

Journalismus muss verständlich sein, aber nicht vereinfachend. Themen wie Flucht und Migration, die Ursachen urbaner Kriminalität, die vielfältigen Versuche, unsere Sprache geschlechtergerecht zu machen oder nicht-binäre Identitäten sind nunmal komplex. Monokausale Erklärungen und undifferenzierte Unterscheidungen zwischen gut und böse führen fast immer in die Irre. Das können Sie dem Publikum auch ruhig so sagen.

 

Normalisiere ich anti-demokratische, unwissenschaftliche oder menschenfeindliche Positionen?

Zum Glück kommt heute kein*e Redakteur*in mehr auf die Idee, ein „Pro und Contra” zum Thema Frauenwahlrecht abzudrucken oder in einem Kommentar die Neuverhandlung der Oder-Neiße-Grenze zu fordern. Die Stärke der demokratischen und menschlichen Werte unserer Gesellschaft zeigt sich auch daran, dass wir bestimmte Debatten nicht (mehr) führen. Deshalb können Medienschaffende auch darauf verzichten, Personen Raum zu geben, die es eindeutig darauf abgesehen haben, rassistische, sexistische, queerfeindliche oder anti-demokratische Positionen zu normalisieren.

Fragen wie „Sollen wir Flüchtlinge im Mittelmeer retten?”, „Sind gleichgeschlechtliche Eltern gefährlich für Kinder?” oder „Gehört der Islam zu Deutschland?” zielen bewusst darauf ab, ohnehin schon ausgegrenzte Gruppen weiter zu marginalisieren und unter dem Vorwand der „Debatte” Unsagbares als legitime Position erscheinen zu lassen. Perspektiven- und Debattenvielfalt ist wichtig. Sie hat aber auch ihre Grenzen und die stehen im Grundgesetz.

Sollen trans* Personen selbst über ihre geschlechtliche Zuordnung entscheiden, dürfen inter Personen an Sportwettbewerben teilnehmen? Steile Meinungen dazu äußern auffallend häufig Feuilletonist*innen oder Gastautor*innen mit beschränkter Sachkenntnis. Bei Minderheitenrechten sind jedoch Detailkenntnis und Fingerspitzengefühl gefragt. Gegen LGBTI+ gerichtete Propaganda wird mit Millionenbeträgen befeuert. Solche Kampagnen zu unterstützen, verbietet sich; es gilt, diese investigativ offenzulegen.
Joane Studnik, Berliner Zeitung

Bilde ich vielfältige Meinungen und Menschen ab?

Eigentlich eine leichte Übung für Journalist*innen. Und dennoch kommen manche gesellschaftlichen Gruppen kaum zu Wort, während andere Positionen und Personen omnipräsent sind. Gerade einmal 26 Prozent aller Expert*innen, die im Jahr 2020 zu Wort kamen, waren weiblich. In öffentlich-rechtlichen Talkshows saßen im Jahr 2019 zum Beispiel mehr Peters als alle türkischen Namen zusammen. Bildet das die Realität im Einwanderungsland Deutschland ab? Diese Frage sollten Journalist*innen bei der Zusammenstellung ihrer Protagonist*innen, Expert*innen oder Panelist*innen immer im Hinterkopf haben. 

Tipps & Tools für mehr Themen- und Perspektivenvielfalt

Sendungs- und Blattkritiken

Um Schieflagen in der eigenen Berichterstattung zu identifizieren, können Redaktionen sich qualifiziertes Feedback von Außen einholen. Unsere Organisationen bieten zum Beispiel Blatt- und Sendungskritiken mit dem Fokus auf Diversität im Journalismus. Von Kolleg*in zu Kolleg*in. Genauso sinnvoll können Blattkritiken durch Vertreter*innen von anderen NGOs und Selbstorganisationen von Menschen mit Rassismus- oder Diskriminierungserfahrungen sein. Bei Interesse wenden Sie sich gern an uns.

 

Besser berichten über Menschen mit Behinderung

Wie berichtet man klischeefrei über behinderte Menschen? Wie lenkt man den Fokus von der Behinderung auf die Geschichte der Protagonist*innen? Mit Workshops für Redaktionen bieten Leidmeiden eine Sensibilisierung für Sprache und Bilder über behinderte Menschen an. Interessierte können Sich an workshop​leidmedien.de wenden.

 

Aus- und Fortbildungen für die Berichterstattung im Einwanderungsland

Keine*r von uns ist frei von Vorurteilen, aber eine vorurteilsfreie Berichterstattung ist trotzdem möglich. Das lässt sich trainieren. Mit praxisbezogenen Trainings und Workshops können Journalist*innen für klischeefreie journalistische Arbeit sensibilisiert werden, Fallstricke erkennen und Methoden für die professionelle Berichterstattung im Einwanderungsland lernen.

Für Volontär*innen sollten entsprechende Seminare verpflichtend sein. Die Neuen deutschen Medienmacher*innen bieten solche Trainings an, analysieren ausgewählte Beispiele der Berichterstattung des auftraggebenden Hauses und erarbeiten in Workshops an der journalistischen Praxis orientierte Alternativen.

 

Analysen der eigenen Berichterstattung

Die Neuen deutschen Medienmacher*innen bieten an, journalistische Beiträge oder Strecken über einen abgesprochenen Zeitraum zu untersuchen: inhaltlich, thematisch, in der Bildauswahl, der Vielfalt der Interviewpartner*innen und den Perspektiven. Die Ergebnisse können beispielsweise in der Redaktion in Verbindung mit einem Workshop zu einer Verbesserung der Berichterstattung beitragen. Bei Interesse wenden Sie sich bitte an: expertinnen​neuemedienmacher.de.

 

Online-Kurse für Berichte über Migration und Integration

Der Mediendienst Integration und das Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus erstellen eine E-Learning-Plattform mit Onlinekursen zu den Themen Medien, Migration und Integration. In den Kursen geht es etwa um den Umgang mit traumatisierten Interviewpartner*innen oder die Berichterstattung über Muslim*innen in Deutschland. Die Plattform soll Anfang 2022 online sein.

 

Sensibler über Hassverbrechen berichten

Das Projekt #ImGespräch von Volontär*innen der Deutschen Journalistenschule (DJS) und dem Mediendienst Integration dokumentiert sehr beeindruckend die Perspektive von Hinterbliebenen der Anschläge von Hanau und Halle auf die Medienberichterstattung und bietet Empfehlungen, wie Journalist*innen besser über rechten Terror und Hassverbrechen berichten können.

 

Reporting on Migration and Refugees: Handbook for Journalism Educators

Ein neues Handbuch für Journalist*innen gibt einen Überblick über die wichtigsten Definitionen, Konzepte und Theorien zu Migration und Flucht aus der journalistischen Perspektive: Themenfindung, Medienwirkung, ethische Aspekte und redaktionelles Marketing kommen ebenso vor wie kollaborative Ansätze in der Migrationsberichterstattung.

Zahlreiche internationale Fallbeispiele aus allen Kontinenten geben Einblick in aktuelle Fragen von Migration und Flucht, auch in ganz unterschiedlichen Mediensystemen und journalistischen Kulturen.