Checkliste für journalistische Sprache

Es gibt für fast alles sehr präzise Bezeichnungen, die gut verständlich sind. Es ist der Job von Journalist*innen, sich diese anzueignen. Folgende Tipps können dabei helfen.

„Das hieß schon immer so“ zählt nicht

Unsere Gesellschaft wandelt sich – und mit ihr unsere Sprache. „Fräulein“ sagt heute schließlich auch keine*r mehr. Genauso wenig benutzen seriöse Journalist*innen heutzutage eindeutig rassistische Begriffe, wie das N-Wort oder das Schimpfwort Z***.

Keine Begriffe aus dem Nationalsozialismus und der Kolonialzeit

„Asoziale“ haben in journalistischen Texten genauso wenig verloren wie „ausmerzen“ oder das Gedenken an die „Reichskristallnacht“. Das gilt natürlich auch für Begriffe aus der Kolonialzeit wie „Schwarzafrika“ oder „Farbige“.

Keine Beschönigungen 

Wer die Demokratie abschaffen will, ist kein „besorgter Bürger“, und wer zu Gewalt gegen Geflüchtete aufruft, ist kein „Asylkritiker“. Morde an Frauen sind „Femizide”., die Bezeichnungen „Beziehungstragödien“ oder „Familiendramen“ sind für sie genauso unpassend wie „Schulhofdramen“ für Amokläufe. 

Keine doppelten Standards

Wenn wir Hetero-Ehen nicht so benennen, sollten wir das bei „Homo-Ehen” auch nicht tun. Und Morde an Frauen gibt es auch in muslimischen Familien, das macht sie aber nicht zwangsläufig zu „Ehrenmorden“. Es gibt manchmal, unter bestimmten Voraussetzungen, „Morde zur Wiederherstellung einer vermeintlichen Familienehre“. Die gibt es aber auch unter Christ*innen, zum Beispiel in Süditalien oder Brasilien.

Differenzieren

Nur weil eine Gruppe von außen als homogen wahrgenommen wird, heißt das nicht, dass sie es auch ist. Wir alle haben mehr als eine Eigenschaft oder Zugehörigkeit, die unsere Identität ausmacht. Für eine Person mit deutscher und türkischer Staatsbürgerschaft kann auch „Alevit*in“ oder „Kurd*in“ die passende Bezeichnung sein – vielleicht ist sie aber auch primär „Gamer*in“.

Selbstbezeichnungen nutzen

Vertreter*innen von strukturell benachteiligten Gruppen wissen am besten, wie sie bezeichnet werden wollen. Zum Beispiel „Frau mit Behinderung” statt „Behinderte”, „trans*” statt „transsexuell”. Viele weitere solcher Hinweise bietet unsere Rubrik „Formulierungshilfen” sowie unsere Glossar-Übersicht.

Gendern!

Die Zeiten, in denen es akzeptiert wurde, mehr als die Hälfte der Bevölkerung sprachlich unsichtbar zu machen, sind vorbei. Tipps zum genderleichten Schreiben finden Sie hier.
 

Good Practice: Diese Medien gendern bereits

In Radio- und Fernsehnachrichten ist immer häufiger von „Menschen” die Rede – gemeint als geschlechtsneutraler Oberbegriff. In vielen Medien gibt es häufiger Beidnennungen zu hören und zu lesen. Auch Partizipialkonstruktionen wie „Studierende” und „Demonstrierende” kommen vor. Gelegentlich tauchen ein Gendersternchen oder ein Gender-Doppelpunkt auf.

ZEIT ONLINE gendert kreativ, je nachdem, was passt, während ze.tt, das junge Ressort bei Zeit-Online, schon seit Langem das Gendersternchen nimmt. In der taz und vielen anderen Zeitungen und Zeitschriften finden sich dezente Genderbeispiele. Nahezu unauffällig sorgen sie für mehr Geschlechtergerechtigkeit in ihrer Berichterstattung in Wort und Bild. Über diese Art des Genderns regt sich niemand mehr auf.

Die Redaktion von bento, das inzwischen eingestellte junge Angebot von Spiegel Online, hat so wie viele andere Medien für junge Zielgruppen, wie funk oder PULS vom Bayrischen Rundfunk, ebenfalls früh mit dem Gendern begonnen: „… indem wir zu Beginn eines Beitrags zunächst beide Formen verwenden, die männliche und die weibliche. Im Laufe des Beitrages wechseln wir, so dass Politikerinnen und Politiker, Erzieherinnen und Erzieher nebeneinander in unseren Texten vorkommen – genau, wie in der Realität.“

Auch die Nachrichten von Deutschlandfunk Nova werden oft mit Gender-Gap gesprochen. Seit dem 1. September 2020 hat Radio Fritz vom rbb das Sprechen mit der Gender-Lücke zum Standard gemacht. Diesen Ministop vor der weiblichen Endung hören Sie gelegentlich auch in anderen Hörfunksendungen, meist in denen mit einem jüngeren Publikum.

In dem ein oder anderen Radiosender wird spielerisch gegendert, mit Varianten von Beidnennungen. Moderator*innen nutzen ihre sprachliche Fantasie, um ihr Zielpublikum passend anzusprechen.

Viele Redaktionen haben über geschlechtergerechte Sprache diskutiert und ob und wie das generische Maskulinum vermieden werden kann. Der Spiegel empfiehlt in seinen Richtlinien für redaktionelles Arbeiten seit Anfang 2020, darauf zu verzichten.

Die Frankfurter Rundschau hat sich im September 2020 für den Gender-Doppelpunkt entschieden. Das Deutschlandradio hat Empfehlungen für geschlechtergerechte Sprache veröffentlicht. SWR2 Wissen weist Autor*innen in einem Leitfaden auf die Methode Genderleicht hin.

Im Januar 2021 hat sich der Berliner Tagesspiegel Leitlinien zum Gendern gegeben. Seit April 2021 will der Bonner Generalanzeiger „fantasievoll und stilistisch flexibel” für Geschlechtergerechtigkeit sorgen und die Mainpost aus Würzburg überlässt seit Juli 2021 ihren Autor*innen, ob sie das generische Maskulinum umgehen wollen oder nicht.

Auch in ARD und ZDF ist Bewegung. Anne Will spricht mit Beidnennung oder Lücke. ZDF-heute-Moderatorin Petra Gerster tat es bis zu ihrem Abschied in den Ruhestand Ende Mai 2021, ihre Nachfolgerin Jana Pareigis tut es auch. Claus Kleber setzt ihn ab und an im heute-journal ein, genauso wie Ingo Zamperoni in den Tagesthemen. Auch in Tagesschau-Berichten ist das „Sprechen mit Lücke” gelegentlich zu hören.

Einer der ersten, der sich von der Richtigkeit des Genderns vor der Kamera überzeugt gezeigt hat, war Anfang 2020 ZDF-aspekte-Moderator Jo Schück. Der NDR gendert seit drei Jahren, der Hessische Rundfunk seit Anfang Juni 2019.

Wenn ich geschlechtsneutral formuliere, komme ich kurz und knackig zum Ziel, was beim Texten fürs Fernsehen wichtig ist. Wenn ich „Studierende“, „Beschäftigte“ oder einfach „das Plenum“ sage, passt das für alle, oder wenn ich „Menschen“ sage anstelle von Zuschreibungen für Männer und Frauen und alle Geschlechter. Dasselbe gilt für „Personen“, das ist doch auch schön kurz. Die meisten, mit denen ich in den Redaktionen spreche, geben uns das Feedback, dass es toll ist, sich mal wieder mit Sprache zu beschäftigen und zu hinterfragen, wie habe ich bisher getextet?”
Nicole Schmutte, Beauftragte für Gleichstellung und Diversity des NDR

Gastbeitrag: Medien und Menschen mit Behinderung

Es braucht mehr als Mitleid und Bewunderung

von Judyta Smykowski

Zu oft entscheiden in Redaktionen nichtbehinderte Journalist:innen, wie über behinderte Menschen berichtet wird. Sie prägen das Bild von Behinderung. Das Problem: Vorurteile und Berührungsängste sind Teil der Berichterstattung. Immer wieder verkennen Medienschaffende die damit einhergehende Verantwortung. Wenn wir Journalist:innen in allen Berichten und Artikeln über Menschen mit Behinderung die Diagnose wegließen - was bliebe übrig von der Geschichte? Ist die Behinderung der ausschlaggebende Punkt, warum wir berichten?

Hoffentlich nicht. Denn: eine Behinderung ist nur ein Teil der Identität einer Person. Sie kann einen spannenden Beruf, ein Ehrenamt oder eine interessante Familiengeschichte haben. Gleichzeitig geht es nicht darum, die Behinderung zu verheimlichen oder zu beschönigen. Aktuell gibt es noch zu viele Berichte, in denen nur die Frage gestellt wird, wie es sich mit Behinderung xy lebt. Der Ansporn sollte sein, weg von emotionalisierenden Storys hin zu konstruktiven Geschichten zu gehen, an die die gesamte Gesellschaft anknüpfen kann.

Menschen leiden nicht an einer Behinderung, sondern leben mit ihr

Die Berichterstattung über behinderte Menschen fußt auf den in der Gesellschaft verbreiteten Blicken auf Behinderung. Besonders kommt der bemitleidende oder bewundernde Blick vor. Doch Mitleid oder Bewunderung sind aus Eigensicht der Protagonist:innen häufig fehl am Platz. Denn häufig reicht es schon, mit einer Behinderung zu leben und alltägliche Dinge zu tun, um eine der beiden Reaktionen hervorzurufen.

Ein Problem marginalisierter Gruppen ist auch, dass Aussagen von Einzelnen häufig auf die gesamte Gruppe übertragen werden. Eine Person kann sich nach einem Unfall ‘an den Rollstuhl gefesselt’ fühlen, aber es bedeutet nicht, dass dies für alle Rollstuhlfahrer*innen gilt. Für viele ist ein Rollstuhl vor allem die Möglichkeit, von A nach B zu kommen. Trotzdem hält sich diese Floskel im Sprachgebrauch hartnäckig.

Auch “An einer Behinderung leiden” ist ein gängiger Ausdruck in der deutschen Sprache. Dabei leiden die Menschen vielleicht gar nicht, sondern leben mit der Behinderung. Vielmehr leiden sie unter Barrieren und Diskriminierung.

Hier sollten Journalist*innen viel öfter in der Berichterstattung anknüpfen: Nicht nur berichten, welche Diagnose, Lebenserwartung oder etwaige Leiden eine Person mit Behinderung hat, sondern gerade auch, auf welche physischen und gesellschaftlichen Barrieren sie trifft und was wir als Gesellschaft tun können, um diese Barrieren aufzubrechen.

Behinderung beim Namen nennen

Behinderung sollte beim Namen genannt werden. Begriffe wie “Handicap” oder “Besondere Bedürfnisse” sind der Versuch, die Unsicherheiten zu verschleiern, obwohl doch gerade Journalist*innen das Rüstzeug in der Hand haben, diese Unsicherheiten aus dem Weg zu räumen: recherchieren, die Protagonist*innen zu Wort kommen zu lassen und nach Eigenbezeichnungen fragen. 

In der Bildsprache ist als Symbol für Behinderung der Rollstuhl präsent. Wahlweise mit nichtbehindertem Model, das man leicht an den zu hohen Knien im Sitzen erkennt oder gleich ohne Person, inszeniert unter oder vor einer Treppe.Wir brauchen authentische Bilder von behinderten Menschen, die auch nur entstehen können, wenn sich Fotograf:innen und die Menschen, die abgelichtet werden, austauschen.

Perspektiven wahrnehmen und sich selbst zurücknehmen

Sensibel mit der Sprache und Bildsprache umzugehen reicht nicht. Die Forderungen nach Diversität in den Redaktionen werden immer lauter, doch Menschen mit Behinderung werden in diesem Diskurs oft nicht mitgemeint, was nicht länger hinnehmbar ist. Diversität muss endlich alle marginalisierten Gruppen einschließen.

Es ist Besserung in Sicht: die jungen Portale der Medienhäuser wie funk oder ze.tt machen Diversität häufiger zum Thema. Doch es mangelt an nachhaltigen Programmen für die Nachwuchsförderung. Es muss Menschen in den Redaktionen geben, die Zugänge schaffen für junge Kolleg:innen mit Behinderung. Das fängt bei der Rampe vor dem Redaktionsgebäude an, aber muss vor allem in der Bereitschaft münden, die Perspektiven wahrzunehmen und sich selbst zurückzunehmen. 

 

Judyta Smykowski leitet die Redaktion vom Online-Magazin und Podcast “Die Neue Norm” und berät im Rahmen ihrer Arbeit bei Leidmedien.de Journalist*innen und Filmschaffende zur klischeefreien Sprache und Erzählweisen zu behinderten Menschen.

Was ist Einfache Sprache?

Neben der Leichten Sprache gibt es die Einfache Sprache. Die Einfache Sprache hat weniger Regeln als die Leichte Sprache. Darum ist es einfacher komplizierte Themen zu erklären, weil man auf weniger Vorschriften achten muss. Bei der einfachen Sprache kann man viele Informationen in einen Satz schreiben und er muss nicht sehr kurz sein.

Viele Leute verstehen einfache Sprache sehr gut, zum Beispiel Kinder, Menschen die nicht gut Deutsch sprechen, Menschen mit einer Lese-Rechtschreibschwäche, Tourist*innen oder Menschen mit Lernschwierigkeiten.

Das sind einige Richtlinien, die es für Einfache Sprache gibt

  1. Schreiben und sprechen Sie kurze und präzise Sätze. Es können Nebensätze vorkommen. Die Nebensätze sollten nicht mehr als ein Komma haben. 
  2. Formulieren Sie Sätze so, dass ein Satz nur einen einzigen Gedanken erklärt.
  3. Benutzen Sie Tun-Wörter im Aktiv statt im Passiv. So schreiben Sie einen Aktivsatz. Ein Passivsatz wird so geschrieben
  4. Verzichten Sie auf Negationen. Also schreiben Sie nicht: “Ich bin nicht hungrig, sondern “Ich bin satt!” oder schreiben Sie nicht “Sie ist kein Mann”, sondern “Sie ist eine Frau”.
  5. Vermeiden Sie Fremdwörter. 
  6. Erklären Sie Begriffe, die schwer zu verstehen sind. 
  7. Vermeiden Sie sprachliche Stilmittel. Dazu gehören Ironie oder Sprichwörter. Sprachbilder müssen Sie erklären.
  8. Verwenden Sie keine Synonyme. Also beschreiben Sie dieselbe Sache immer nur mit demselben Wort. Andere Wörter für dieselben Dinge sind Synonyme und sind schwerer zu verstehen. 
  9. Schreiben Sie Abkürzungen aus.

 

Hier kann man Nachrichten in Leichter und einfacher Sprache lesen

  • Bei www.nachrichtenleicht.de kann man einmal pro Woche Nachrichten in einfacher Sprache lesen.
    Man kann sie sich vorlesen lassen.
    Und man kann Erklärungen für schwierige Wörter nachlesen.
  • Die Zeitung Augsburger Allgemeine bietet einmal pro Woche Nachrichten in Leichter Sprache an.
    Die Nachrichten sind von Prüfer*innen geprüft.
  • Der Spaß am Lesen Verlag macht Bücher in Leichter und Einfacher Sprache.
    Es gibt viele Bücher zur Auswahl.
  • Die Sender NDR, SR und MDR bieten Nachrichten aus ihrem Gebiet von Deutschland an.
    Man nennt das auch Regional-Nachrichten.
    Die Nachrichten sind in Leichter oder einfacher Sprache.
  • Die Internetseite Einfach queer informiert über die Themen Geschlecht und Sexualität.
  • Die beiden Zeichnerinnen Simone Fass und Inga Kramer machen Zeichnungen für Leichte Sprache.
    Beide lassen ihre Zeichnungen durch Prüfer*innen prüfen.
  • Das Projekt Corona Leichte Sprache informiert über das Corona-Virus.
    Es erklärt schwierige Wörter in der Corona-Zeit.
    Und es informiert über neue Corona-Regeln.
  • Auf der Internetseite einfachstars kann man Texte über Stars in Leichter Sprache lesen.