Diversity umsetzen und evaluieren
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über das Evaluationstool „Diversity und Chancengleichheit in den Medien“ (DICUM), das Prof. Christine Horz (TH Köln) auf Basis wissenschaftlicher Literatur und angewandter Forschung entwickelt hat. Das Tool ermöglicht eine systematische und praxisnahe Auswertung von Diversity-Management in den Medien anhand konkreter Fragebögen und Anleitungen. Es kann je nach spezifischen Anforderungen des Medienunternehmens angepasst werden.
Ein Beitrag von Prof. Dr. Christine Horz-Ishak.
Partizipativer top-down-Prozess
Diversity-Strategien werden im Regelfall auf der Leitungsebene (top-down) getroffen und sollten durch Analysen der vorliegenden Situation und der konkreten Bedarfe des Unternehmens abgesichert sein. Eine nachhaltige Diversity-Strategie umfasst das gesamte Unternehmen mit all seinen Bereichen und Ressorts.
Bereits bei der Bestandsaufnahme empfiehlt sich, frühzeitig Mitarbeitende sowie alle Stakeholder in die Change-Prozesse einzubinden. So lassen sich einerseits kreative Innovationspotenziale der Mitarbeiter*innen aktivieren (Aktivitätslevel), andererseits lässt sich so „von unten“ (bottom-up) die notwendige Unterstützung für die Umsetzung von Diversity-Maßnahmen erreichen. Auf diese Weise können alle Mitarbeitenden des Medienbetriebs den Diversity-Gedanken mittragen und werden in die Lern- und Reflexionsprozesse eingebunden (Stuber 2004).
Potentiell wichtige Stakeholder im Veränderungsprozess:
- Geschäftsführung/Intendanz
- Gremien (falls vorhanden)
- Chefredakteur*innen
- Redakteur*innen und Journalist*innen (vor allem auch jene, potentiell benachteiligt sind wie PoC, Journalist*innen mit Migrationshintergrund o.ä.)
- Betriebsrät*innen/Personalvertreter*innen
- Gleichbehandlungs-/Diversity-/CSR- Beauftragte
- Human Resources/Organisationsentwicklung
- Interne und externe Kritiker*innen von Vielfalt und Chancengleichheit
Selbstkritik statt nur Diversity-PR
Der Erfolg des Diversity-Konzepts hängt von einer objektiven und damit auch selbstkritischen Analyse bisheriger Maßnahmen und Integrationsberichte ab, sofern es sie gibt. Integrationsberichte wie sie beispielsweise öffentlich-rechtliche Sender derzeit für ihre Geschäftsleitungen im Rahmen von Geschäftsberichten veröffentlichen, erreichen dieses Ziel häufig nicht. Sie binden zwar viele Ressourcen, gehen aber letztlich unsystematisch vor und sind auf punktuelle Medieninhalte verengt.
Die Personalebene klammern sie meist aus. Zudem erinnern sie mitunter an PR-Maßnahmen, die lediglich bestrebt sind, die Anstrengungen des Unternehmens hinsichtlich Vielfalt in ein positives Licht zu rücken.
Für eine nachhaltige Diversity-Strategie sollten stattdessen Aufwand, Zeit und Geld in systematische und nachvollziehbare Evaluierungen investiert werden. Erst dann lässt sich tatsächlich messen und nachvollziehen, inwiefern die Maßnahmen für die Zielgruppe, das Unternehmen sowie die Mediennutzenden lohnenswert sind.
Warum Vielfalt kein Querschnittsthema ist
In Medienbetrieben ist es von besonderer Bedeutung, dass im Rahmen eines solchen Evaluationsprozesses sowohl alle innerbetrieblichen Ebenen, als auch die Außenbeziehungen des Unternehmens miteinbezogen werden, weil mehr personelle Vielfalt zu mehr Vielfalt in der Berichterstattung führt (Napoli 1999). Die Tatsache, dass Journalist*innen und Chefredakteur*innen aus Einwandererfamilien seit Jahrzehnten stark unterrepräsentiert sind, zeigt, dass besondere Anstrengungen unternommen werden müssen, diese zu fördern.
Doch Vielfalt sollte kein „Querschnittsthema“ sein, wie es oft heißt. Bei Querschnittsthemen wird die Zuständigkeit dezentral auf alle oder möglichst viele Bereiche (hier: Ressorts) verteilt. Doch um eine nachhaltige Diversity-Strategie durchzusetzen, ist es notwendig, eine eigene Zuständigkeit dafür benennen und konkrete Instrumente anzuwenden, die von der Chefredaktion getragen und von einer Stelle koordiniert werden. Trotzdem betrifft die Strategie natürlich alle.
Was gehört zu einer Diversity-Strategie und wie gelingt die Evaluation?
Die Evaluierung der getroffenen Maßnahmen zur Steigerung der kulturellen Vielfalt in Medienunternehmen hängt von den folgenden Voraussetzungen ab (vgl. Wladasch & Liegl, o.J.).
1. Diversity-Beauftragte*n installieren
Benennung einer Person, die im Medienunternehmen für die Entwicklung und Umsetzung der Diversity-Strategie die Verantwortung trägt. Die*der Verantwortliche sollte:
- idealerweise ausschließlich und unbefristet auf dieser Position arbeiten, über ein sinnvolles Budget verfügen und weisungsbefugt sein
- an der Entwicklung einer Diversity-Strategie maßgeblich beteiligt sein
- einen beständigen Überblick über die Diversity-Maßnahmen und ihre Fortschritte haben
- Zugang zu relevanten Informationen haben
- Expertise im Bereich Anti-Bias, Diversity Management und Chancengleichheit mitbringen sowie Kenntnisse im Bereich Monitoring und Evaluierung aufweisen
- im besten Fall journalistische Berufserfahrung mitbringen
- Verantwortlich für die Evaluation, die Erhebung von Daten und Umsetzung der Erfolgsmessung sollten unabhängige Stellen sein, um eine objektive Bewertung der Maßnahmen zu erreichen.
Sammlung neuer oder Bündelung vorhandener Daten im Rahmen der Standortbestimmung (Bestandsaufnahme) zu folgenden Fragen:
- Wie vielfältig sind Belegschaft (alle Ebenen), Bewerber*innen und Publikum?
- Wird die Diversity-Strategie als Top-Priorität behandelt oder lediglich als „Querschnittssaufgabe“ ohne klare Verantwortlichkeiten?
- Sind Vertreter*innen mit Migrationsgeschichte auch in anderen Bereichen wie Rundfunkräten und sonstigen Gremien präsent?
- Wie divers sind Leistungsanbieter*innen aufgestellt, mit denen der Sender oder Verlag arbeitet, wie freie Autor*innen, Produktionsfirmen oder andere externe Dienstleister*innen?
- Sind die Gehälter der Mitarbeiter*innen mit und ohne Migrationshintergrund für vergleichbare Tätigkeiten gleich?
- Welche Trainingsmaßnahmen zur Steigerung der Vielfalt der Personalstruktur gibt es und inwiefern werden sie von Mitarbeiter*innen angenommen?
- Wie zufrieden sind Mitarbeiter*innen und Publikum mit Personalstruktur bzw. Medienangeboten des Senders oder des Verlags?
- Wie zufrieden sind die Bewerber*innen mit dem Bewerbungsverfahren?
- Welche Beschwerdeverfahren gibt es intern (z.B. für Mitarbeitende) und externe (z.B. für Zuschauer*innen)? Sind entsprechende Ansprechpartner*innen, Ombudspersonen oder ähnliches öffentlich bekannt? Sind die Beschwerdeverfahren transparent und öffentlich einsehbar?
- Inwiefern kommt es zu Belästigungen und Diskriminierungen von People of Color und Schwarzen Menschen oder anderen Gruppen?
- Wie wird mit Ängsten der Mitarbeitenden gegenüber den Change-Prozessen umgegangen?
Sie dient der konkreten Einschätzung bestimmter Maßnahmen und Projekte des jeweiligen Medienunternehmens für die verschiedenen Bereiche und Redaktionen im Zuge der Standortbestimmung. Für Medienunternehmen bieten sich Diversity-Maßnahmen an, die auf die Diversifizierung der Belegschaft, ein inklusiveres Arbeitsklima sowie eine mediale Berichterstattung zielen, die der Vielfalt der Gesellschaft gerecht wird.
Eine Benennung von messbaren Zielen, Festlegen von Prioritäten und Zeitplänen im Rahmen der Entwicklung eines Diversity-Aktionsplans.
Eine Evaluierung sollte in allen Phasen der Veränderungsprozesse erfolgen und die Ergebnisse sollten so transparent wie möglich öffentlich kommuniziert werden. Für die Akzeptanz innerhalb und außerhalb des Unternehmens ist dies von entscheidender Bedeutung, gerade aufgrund der politischen Aufladung der Themen Vielfalt, Migration und Integration. Denkbar wäre es, dass Medienunternehmen die Diversity-Maßnahmen zum Gegenstand ihrer Berichterstattung machen und Erfolge präsentieren.
1. Situations- und Bedarfsanalyse
Standortbestimmung – Hierbei sollten insbesondere Diversity-Daten zur Belegschaft, zum Arbeitsklima und über die Berichterstattung berücksichtigt werden. Auf Basis der Informationen, die bei einer solchen Bestandsaufnahme gewonnen werden, lässt sich der Bedarf für Diversity-Maßnahmen feststellen. Bei der Standortbestimmung des Medienhauses sollten beispielsweise folgende Fragen für unterschiedliche Bereiche relevant sein:
Beispiele Belegschaft:
- Bewerben sich Journalist*innen aus Einwandererfamilien oder fühlen sie sich bereits in der Rekrutierungsphase ausgeschlossen? Haben sie gleichberechtigte Zugänge zu journalistischen Positionen oder werden sie trotz gleicher Bildungsverläufe als weniger qualifiziert eingestuft?
- Gibt es (anonyme) Datenerhebungen zum quantitativen Anteil der nichtweißen Journalist*innen?
- Existieren bereits Projekte für mehr Vielfalt in den Redaktionen?
Beispiele Arbeitsklima:
- Kommen Journalist*innen aus Einwandererfamilien in den Redaktionskonferenzen zu Wort? Werden sie als gleichwertige Kolleg*innen betrachtet oder als „Quotenmigrant*innen“, die lediglich aufgrund ihres Migrationshintergrunds eingestellt wurden und nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten (Graf 2011)?
- Gäbe es Anreizmöglichkeiten, die das Engagement der Mitarbeitenden in Richtung Diversity intensivieren könnte?
Beispiel Content:
- Haben alle Redaktionsmitglieder umfassende Kenntnisse zu diversitätssensibler Berichterstattung erworben, beispielsweise mit Hilfe von Schulungen?
- Kommen Menschen mit Migrationshintergrund in den Berichten, Talksendungen und in Vox-Pops nicht nur zum Themenfeld Migration zu Wort?
Sie dient dazu, vorab zu prüfen, welche Maßnahmen relevant für das Medienunternehmen sind, ob diese kohärent sind und welche Regeln für die Umsetzung gelten sollen. Dabei kann auch ein Blick auf Best Practice-Beispiele helfen (beispielsweise die in diesem Handbuch). Die Ex-ante-Evaluierung kann genutzt werden, um Zielvorgaben und Meilensteine, Ausgangsgrößen, Ergebnisse so- wie Verfahren für die spätere Evaluierung festzulegen.
Hilfreich können dabei Instrumente sein wie eine Diversity Score Card (DSC) oder ein Diversity-Leitfaden. Sie bieten eine grundlegende und einfache Struktur für die Planung und Evaluierung des Diversity-Managements. Damit können Diversity-Ziele auch mit anderen Zielen des Rundfunksenders oder Verlags verbunden sowie Diversity-Maßnahmen übersichtlich kommuniziert und evaluiert werden (Hubbard 2004).
In die Entwicklung der DCS sollten möglichst alle Stakeholder eingebunden werden, weil damit die Akzeptanz für Vielfaltsentwicklung gesteigert werden kann.
Zudem sollten die allgemeinen strategischen Ziele des Unternehmens in Einklang mit der Diversity-Strategie stehen sowie der Frage, welchen Mehrwert die Vielfalt des Medienhauses haben soll: wie z.B. das Ansprechen neuer Publikumsgruppen, dadurch Steigerung der verkauften Auflage einer Zeitung (Hubbard 2004).
Hier können Meilensteine evaluiert werden, um Fortschritte festzuhalten und ggf. nachzujustieren, falls die eigentliche Zielvorgabe nicht eingehalten wird. Dabei hilft die Diversity Score Card, da in ihr die grundlegenden Ziele und Bereiche nachvollziehbar überprüft werden können. Wie zum Beispiel:
- Wurde die Rekrutierungsstrategie mit Blick auf die Diversifizierung der Personalstruktur angepasst?
- Wurde das Weiterbildungsangebot mit Blick auf Diversity den Bedarfen und Zielen angepasst – gibt es beispielsweise Workshops für kultursensible Berichterstattung für die Stammbelegschaft sowie für freie Mitarbeiter*innen?
- Inwiefern konnten erste Projekte für mehr Diversity auf allen Ebenen des Rundfunksenders oder Verlags – inkl. der Leitungsebene – angestoßen werden?
- Haben die Redaktionen ihre Berichterstattung dahingehend analysiert, wie und wo pluralistischere Perspektiven zukünftig deutlicher repräsentiert werden können?
- Wurden die Zeitpläne zur Umsetzung der anvisierten Ziele eingehalten. Falls nicht: Was sind die Ursachen für die Verzögerung?
- Wo gibt es Bedarf, die Anstrengungen zu intensivieren?
Sie erfolgt nach Beendigung einer Projektphase, um zu beurteilen, inwiefern die eigentliche Zielvorgabe erreicht wurde oder nicht und dient dazu, die Fortsetzung der Diversity-Strategie mit neuen Zielen in den Blick zu nehmen. Zudem fungiert die Schlussevaluation auch als institutionelles Gedächtnis, das alle Informationen, qualitative und quantitative Daten und an der Umsetzung Beteiligte festhält.
Beispiele Belegschaft:
- Konnte die Zahl der Redaktionsmitglieder entsprechend der Zielvorgabe gesteigert werden?
Beispiele Arbeitsklima:
- Sorgten flankierende Maßnahmen wie Teambuilding oder die Verbesserung von Feedbackstrukturen für eine offene, weniger hierarchische Kommunikationsatmosphäre?
Beispiele Berichterstattung:
- Wurden Weiterbildungsmaßnahmen für kultursensible Berichterstattung etabliert?
- Kommen Menschen und Expert*innen mit Migrationshintergrund im Medienprodukt häufiger zu Wort als vor Beginn des Diversity-Projektzeitraums?
Sie findet längere Zeit nach Abschluss der Maßnahme statt, um endgültige Auswirkungen zu überprüfen und die Nachhaltigkeit der Diversity-Strategie zu messen.
Beispiele Belegschaft:
- Konnten rekrutierte Journalist*innen aus Einwandererfamilien, People of Color und Schwarze Menschen im Unternehmen gehalten werden?
Beispiele Arbeitsklima:
- Wurde eine nachhaltige Verbesserung des Arbeitsklimas erzielt, beispielsweise durch den Abbau von Hierarchien?
Beispiele Berichterstattung:
- Welche Reaktionen hat die diversitätssensiblere Berichterstattung in der Öffentlichkeit hervorgerufen?
- Entsprechen die Projekte weiterhin den Bedarfen oder machen neue gesellschaftliche Entwicklungen wie z.B. eine vertiefte Auseinandersetzung mit Alltagsrassismus in der Öffentlichkeit eine Neuformulierung nötig?
Die Einbindung möglichst vieler Stakeholder in die Überprüfung der Wirksamkeit der gesetzten Maßnahmen integriert verschiedene Perspektiven, Bereiche und Hierarchieebenen in die Evaluation (Stakeholder Seite 120). Hilfreich ist, sich zu überlegen, welche Erhebungsinstrumente (z. B. Umfrage) welchem Analyseschwerpunkt dienen (z. B. vielfältiges Personal) und für welche Zielgruppe (z. B. Belegschaft mit Diversitätsmerkmalen) sie eingesetzt werden sollen (Wladasch & Liegl, o.J.).
Zusammenfassend lässt sich folgende Struktur darstellen:
- Für Medienverantwortliche (Geschäftsleitung, Chefredakteur*innen, Diversity-Beauftragte) sollte eine systematische Auflistung aller im zu evaluierenden Zeitraum zu setzenden Maßnahmen erhoben werden, um erste Schritte einer Diversity-Strategie zu gehen. Um die Maßnahmen zu verdichten, können zudem die Zielgruppen der Maßnahmen (PoC, Journalist*innen mit Migrationshintergrund) eingebunden werden.
- Zur Verankerung der Maßnahmen im Übergang zur Best Practice dient die Befragung von Diversity- und CSR-Beauftragten, Betriebsrät*innen/Personalvertreter*innen, Redakteur*innen, Journalist*innen, vor allem jene, die potentiell benachteiligt sind, mittleres Management sowie internen und externen Kritiker*innen der Diversity-Strategie anhand eines Interviewleitfadens, mit Gruppengesprächen oder ähnlichem. Damit lässt sich die Zufriedenheit mit der Umsetzung der Maßnahmen aus der jeweiligen Perspektive erheben.
- Aus diesen Stakeholdern lassen sich des Weiteren Fokusgruppen bündeln, um zu feineren Evaluationsergebnissen zu kommen. Denkbar sind hier wiederum Interviewleitfäden, um die (Un-) Zufriedenheit mit den Maßnahmen aus der jeweiligen Perspektive vertiefend zu erheben und Leerstellen zu identifizieren. Außerdem dienen regelmäßige Befragungen von Publikum und Personal dazu, ganz spezifische Perspektiven und Haltungen vertiefend auf dem Weg zur Best Practice zu erheben.
Sämtliche Komplexe greifen ineinander
Mehrere Ebenen und Dimensionen müssen in der Entwicklung der Vielfalt der Personalstruktur und ihrer Evaluierung mitbedacht werden:
Leitungs/Entscheiderebene
Die NdM-Studie „Viel Wille, kein Weg“ hat gezeigt, dass Chefredaktionen in deutschen Medien relativ homogen besetzt sind (NdM 2020). Hier setzen spezifische Maßnahmen und Evaluationen an, die die Leitungsebenen in den Blick nehmen, da sie wiederum über Diversity-Strategien entscheiden.
Auch in den Redaktionen arbeiten seit Jahren vergleichsweise wenige Journalist*innen mit Migrationsgeschichte (Pöttker 2016). Hier kann damit begonnen werden, gängige Rekrutierungsmaßnahmen zu überprüfen und zu ändern, sodass sich diese Gruppe angesprochen fühlt.
Vielfältig besetzte Redaktionen können eine positive Außenwirkung haben (Role Models, Vorbildfunktion, Medien spiegeln die Gesellschaft wider). Dazu zählt auch die zu erwartetende Perspektivenvielfalt, die sich in der Transkulturalisierung des Content widerspiegelt (z.B. funk-Formate wie Datteltäter).
Die Kosten des Projekts Diversity müssen in Relation zum Nutzen stehen, wobei sich der Einsatz der Ressourcen durchaus mit Gewinnen in Form neuer Nutzergruppen und Publika auszahlen kann.
Die britische BBC beispielsweise kann nachweisen, dass mit der Diversity-Strategie neue Zuschauergruppen gewonnen wurden.
Wie kann man minimale und Goldstandards einführen?
Die eine Methode zur Evaluierung der eingesetzten Diversity-Maßnahmen gibt es nicht. Entsprechend der unterschiedlichen Standortbestimmungen in jedem Medienhaus müssen auch maßgeschneiderte Ansätze der Evaluierung zum Tragen kommen. Dabei können unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden. Schwerpunkte einer Evaluierung können von folgenden Aspekten abhängig sein:
- den jeweiligen Ziele der Diversity-Strategie (z.B. 50 Prozent des kommenden Volontariatsjahrgangs sollten marginalisierten Gruppen angehören)
- der damit aufgewendeten Ressourcen (ökonomisch, personell, zeitlich). Für den obigen Fall wäre zum Beispiel zu entscheiden, ob Diversity-Maßnahmen für Volontariate kostenneutral ablaufen und die HR-Abteilung beteiligt werden soll. Auch Laufzeiten, Zwischenevaluationen und Meilensteine müssen definiert werden
- dem Stand der Entwicklung in Sachen Diversifizierung im jeweiligen Medienunternehmen
Wichtig: Unabhängig davon, welcher Schwerpunkt gesetzt wird, sollten stets Repräsentant*innen der Zielgruppen von Diversity-Strategien in die Konzeptionierung, Umsetzung und Analyse der Maßnahmen und ihrer Ergebnisse einbezogen werden. Auf der Grundlage von bisherigen Studien (NdM 2020, Horz 2016) können wir davon ausgehen, dass der Großteil der Rundfunksender und Verlage keine oder kaum konkrete Diversity-Maßnahmen umgesetzt hat.
Unternehmen, die erste Schritte in Richtung Diversity setzen möchten:
Hier eignen sich im Anschluss an die Standortbestimmung zunächst minimale Evaluierungs-Standards. Dazu gehören Evaluationen, die den Stand der Umsetzung der zuvor definierten Maßnahmen einschätzen helfen, sodass bewertet werden kann, welche Maßnahmen rechtzeitig begonnen wurden und wo es Nachholbedarf gibt.
- Liegt die Neuformulierung der Volontariatsausschreibung im Zeitplan?
- Wurden Weiterbildungsmaßnahmen und Workshops für kultursensible Berichterstattungs geschneidert?
- Wurden erste Überlegungen angestellt, welche Mitarbeitenden marginalisierter Gruppen gefördert werden sollten?
Diese Daten lassen sich anhand einfacher Erhebungsinstrumente generieren, wie beispielsweise ein Meilenstein-Bericht, kurze Mitarbeiter*innen-Befragungen oder Round-Table-Diskussionen, um hier möglichst von allen Beteiligten eine qualitative Rückmeldung zu gewinnen.
Unternehmen, die ihre Diversity-Maßnahmen ausbauen wollen:
In Medienbetrieben, die bereits punktuelle Diversity-Maßnahmen umsetzen, bieten sich komplexere Evaluationsmethoden an, um die Vielfalt in der Personalstruktur im Volontariatsjahrgang, im Programm und den Medieninhalten usw. zu erheben. Qualitative Untersuchungen bieten Instrumente, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu beurteilen.
Schon bei der Implementierung von Diversity-Maßnahmen können Workshops und Fokusgruppen-Gespräche das Engagement der Mitarbeitenden aktivieren. Der Sender MDR führt beispielsweise mit der Innovationsentwicklungsabteilung MDR-next regelmäßig partizipative Co-Creation Prozesse in Form von Living Labs durch. Dies können auch gemeinsam mit Organisationen wie den NdM organisiert werden. Bereits in dieser Phase sollten innovative Formen der Evaluierung der Diversity-Maßnahmen erarbeitet werden.
Stakeholder-Konsultationen, die neben Expert*innen auch Zuschauer*innen und Leser*innen, darunter auch Menschen mit Diskriminierungserfahrungen einbeziehen, sind weitere Erhebungsinstrumente.
Unternehmen, die Good Practices erzielen wollen
Ergänzende quantitative Erhebungsinstrumente sind sinnvoll, um den Erfolg umfassender Diversity-Maßnahmen auf der Basis objektiver und vergleichbarer Daten abzusichern. Surveys, die auf Chefredaktionen, Mitabeiter*innen und Mediennutzende zielen, können hier zusätzlich zu den qualitativen Methoden hilfreich sein. So kann erhoben werden, wie sich aus Sicht der Mitarbeitenden das Arbeitsklima und die Kommunikationskultur in den Redaktionen verändert hat und wo ggf. noch Nachholbedarf besteht; ob sich damit ggf. das Meinungsbild für die Einführung von selbstverpflichtenden Quoten verändert hat; inwiefern die Talententwicklung erfolgversprechend erscheint und ob die Transparenz der getroffenen Maßnahmen und Strategien durch Veröffentlichung der bisherigen Entwicklungen gewährleistet ist.
Evaluierung: in-house und durch Fachleute
Grundsätzlich kann die Evaluierung in-house erreicht werden, in dem Feedback-Schleifen, Diskussionsforen, Fokusgruppen, Ideen-Wettbewerbe oder Ähnliches initiiert werden. Der Goldstandard sind jedoch Evaluierungen, die zusammen mit externen, unabhängigen Instituten und Expert*innen aus der Wissenschaft durchgeführt werden. Diese führen zu objektiveren Bewertungen und steigern damit die Qualität der Evaluierungen. Dies wiederum erhöht die Akzeptanz der Diversity-Maßnahmen in der Öffentlichkeit.