1. Mehr Vielfalt
Rundfunkräte müssen Gremien der gesamten Gesellschaft sein. Gesetzgeber*innen sollten deshalb damit aufhören, großen Teilen der Gesellschaft den Zugang zu verwehren und ihnen Sitze sowie Stimmen vorzuenthalten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk arbeitet genauso beispielsweise für Eingewanderte, LSBTIQ*, Menschen mit Behinderung, Rom*nja und Sinti*zze, Schwarze Menschen, Russlanddeutsche, Muslim*innen, wie für Bäuer*innen und Museumsverbände. Schließlich zahlen sie alle ihren Rundfunkbeitrag.
2. Mehr Differenzierung
Rundfunkratssitze für „Ausländer” oder „Migration/Integration” sind besser als gar keine, aber sie scheren die Menschen über einen viel zu groben Kamm. LSBTIQ*-Personen, Menschen mit Einwanderungsbiografie oder Behinderung sind keine homogenen Gruppen. Wenn es für Jäger*innen und Heimatvertriebene einen Platz im Gremium gibt, warum dann nicht auch für trans* Menschen, Kurd*innen oder Fridays for Future? Das ist übrigens auch die Meinung des Bundesverfassungsgerichts, das die Politik explizit auffordert, in den Rundfunkräten auch kleinen Gruppen eine Stimme zu geben. Es geht um größtmögliche Vielfalt und nicht nur darum, dass Organisationen entsprechend ihrer Größenverhältnisse vertreten sind.
3. Mehr Staatsferne
Die staatliche Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu sichern ist der Grundgedanke von Rundfunkräten. Warum stellen staatliche und staatsnahe Akteur*innen in Rundfunkräten dann überall die mit Abstand größte Gruppe unter den Mitgliedern? Landtagsabgeordnete und Staatssekretär*innen sollten in Rundfunkräten nicht stärker vertreten sein als andere gesellschaftliche Gruppen.
4. Weniger Dominanz
Keine Frage: Kirchen, Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften sind wichtige Akteur*innen der Gesellschaft. Aber deshalb müssen sie nicht vier-, fünf- oder sechsfach in einem Rundfunkrat vertreten sein. Zumal anderen Gruppen oft aus vermeintlichen „Platzgründen” die Teilhabe verweigert wird. Dabei ist es genau umgekehrt: Die begrenzte Zahl an Sitzen ist das beste Argument für mehr Parität in Rundfunkräten.
5. Mehr Flexibilität
Rotierende Sitze, Losverfahren, Plätze, für die sich Organisationen nach ein oder zwei Amtszeiten neu bewerben können: Es existieren zahlreiche Modelle, um auch kleineren gesellschaftlichen Gruppen Teilhabe zu ermöglichen, ohne die Gremien ins Uferlose wachsen zu lassen. Sie müssen nur genutzt werden.
6. Mehr Diversität
Nach Personen unter 40 kann man in den meisten Rundfunkräten genauso lange suchen wie nach Menschen mit Rassismus- oder Armutserfahrung. Echte Perspektivenvielfalt gibt es so nicht. Entsendeorganisationen sollten angehalten werden, bei der Auswahl ihrer Vertreter*innen auch Mitglieder unterschiedlichen Alters, Herkunft, Religion und sexueller und geschlechtlicher Identität und Behinderung zu berücksichtigen. Die Erfahrungen bei der Gleichstellung von Frauen haben gezeigt, dass nur verbindliche Regelungen funktionieren.
7. Mehr Fairness
Gute Arbeit im Rundfunkrat ist zeitaufwändig. Während Abgesandte aus Politik, Kirchen oder Wirtschaftsverbänden bei der Tätigkeit in ihren Institutionen oft von ganzen Teams unterstützt werden, haben Vertreter*innen ehrenamtlich organisierter Organisationen diese Privilegien nicht. Dieser ungleiche Zugang zu Ressourcen führt zu einem Machtungleichgewicht im Gremium. Damit allseits gut informierte Entscheidungen getroffen werden können, braucht es Mechanismen, die den Zugang zu Ressourcen erleichtern. Ideen hierfür gibt es viele:
- Höhere Aufwandsentschädigungen und Anspruch auf Sonderurlaub für Vertreter*innen ehrenamtlich organisierter Institutionen
- Bessere Ausstattungen der Geschäftsstellen von Rundfunkräten, die den Mitgliedern bei Recherchen und Sitzungsvorbereitungen zuarbeiten können
- Schaffung einer unabhängigen Kommission, die regelmäßig nach wissenschaftlichen Standards die Programme der Sender evaluiert und damit wichtige Daten für die Arbeit von Rundfunkrät*innen liefert
8. Mehr Expertise
Gute Arbeit im Rundfunkrat braucht fachliche Expertise zu den unterschiedlichsten Themen. Nicht immer kann diese von den Mitgliedern allein eingebracht werden, deshalb hilft Unterstützung von außen. Im Plenum und in den Ausschüssen sollte die Anhörung von externen Expert*innen und Interessenvertreter*innen nicht mehr die Ausnahme, sondern die Regel sein. Das gilt besonders für alle Themen, die Gruppen betreffen, die im Gremium nicht vertreten sind. Zudem sollte neuen Mitgliedern der Einstieg mittels Seminaren bspw. zur Struktur und Funktion der Öffentlich-Rechtlichen erleichtert werden.
9. Mehr Transparenz
Rundfunkräte sind Vertretungen unserer Gesellschaft im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Doch die Gesellschaft bekommt davon kaum etwas mit. Das liegt auch an fehlender Offenheit und mangelnder Kommunikation der Gremien nach außen. Deshalb sollten Sitzungen in aller Regel für die Öffentlichkeit zugänglich sein – selbstverständlich inklusive Livestream im Netz. Ausnahmen sollten auf wirklich sensible Themen etwa zu Vertrags- und Personalfragen begrenzt werden. Statt irgendwo auf der Website als PDF-Download versteckt sollten die Ergebnisse der Sitzungen und Ausschüsse zeitgemäß aufbereitet, gut zugänglich und barrierefrei präsentiert werden.
10. Mehr Demokratie
Unsere Gesellschaft verändert sich – die Zusammensetzung von Rundfunkräten hingegen kaum. Gesetze und Staatsverträge sollten regelmäßig evaluiert und den gesellschaftlichen Entwicklungen angepasst werden. Dabei sollten unterschiedliche gesellschaftliche Akteur*innen angehört und mit einbezogen werden. Dazu gehört auch, sie rechtzeitig über Beteiligungsmöglichkeiten und Termine zu informieren. Die Debatte darüber, wer den öffentlich-rechtlichen Rundfunk kontrolliert – und wer nicht – gehört in die Öffentlichkeit und nicht hinter die verschlossenen Türen von Staatskanzleien.