„Ich brauche keine Verfassungsfeinde im ZDF-Fernsehrat“
2014 hat das Bundesverfassungsgericht die Zusammensetzung des ZDF-Fernsehrates für verfassungswidrig erklärt und insbesondere den hohen Anteil staatsnaher Rundfunkrät*innen gerügt. Ist der ZDF-Fernsehrat heute ein staatsfernes Gremium?
Also auf dem Papier auf jeden Fall. Es sind von 60 Mitgliedern lediglich noch 16 Vertretungen der Bundesländer und 2 Personen als Vertretung der Bundesregierung. Das ist nicht mal ein Drittel des Gremiums. Eine politische Einflussnahme auf das Programm oder die medienpolitische Ausrichtung des Senders sehe ich aber an keiner Stelle durch niemanden, da dies auch nicht unser Auftrag ist.
Bei den staatsnahen Mitgliedern handelt es sich in den meisten Rundfunkräten um Landtagsabgeordnete. Im ZDF-Fernsehrat sitzen hingegen vor allem Regierungsvertreter*innen. Sehen Sie darin ein Problem?
Der Vorteil ist, dass die AFD bei der derzeitigen Regelung nicht im Gremium vertreten ist. Aber diese Partei möchte ja den öffentlich-rechtlichen Rundfunk sowieso abschaffen. Ich würde mir eher wünschen, dass die ZDF-Regelung auch in den Rundfunkstaatsverträgen der Länder Niederschlag findet. Ich brauche keine Verfassungsfeinde im ZDF-Fernsehrat.
Auch bei manchen gesellschaftlichen Vertreter*innen kann man an der Staatsferne zweifeln. Der Bereich „Kunst und Kultur“ wird zum Beispiel vom ehemaligen Ministerpräsidenten des Saarlandes vertreten. Versuchen die politisch Verantwortlichen damit, ihren Einfluss zu wahren?
Ich kann bei dem Vertreter aus dem Saarland in keiner Weise erkennen, dass er irgendwelche politischen oder staatlichen Interessen verfolgt. Seine Mitarbeit ist, wie im Staatsvertrag beschrieben, sehr programmbezogen. Unabhängig davon würde ich mir wünschen, dass mehr Menschen, die keine originäre politische Vergangenheit haben, Teil des Fernsehrates werden. Dieses Land hat so viele schlaue und tolle Menschen, deren Perspektiven für die Arbeit im Fernsehrat sicher sehr bereichernd wären.
Gesellschaftlichen Vertreter*innen können auf unterschiedlichen Wegen in den Fernsehrat gelangen: Einige Organisationen wie die beiden großen Kirchen oder IHK werden explizit im Staatsvertrag genannt. In anderen Fällen sind nur bestimmte Themen einem Bundesland zugeordnet: „Migration“ zum Beispiel Hessen, „LSBTTIQ*“ Thüringen. Sehen Sie darin eine Benachteiligung?
Die Bundesländer bestimmen eigenständig, wie sie die Besetzungsverfahren organisieren. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wieso die Kirchen und deren Partnerorganisationen so viele Sitze haben müssen oder auch arbeitgebernahe Organisationen, hingegen zum Beispiel Schwarze Menschen oder Rom*nja und Sinti*zze nicht bei uns vertreten sind. Das sind doch relevante Bevölkerungsgruppen, die im Übrigen auch ihre Beiträge regelmäßig zahlen. Auch der Deutsche Frauenrat oder die Schülervertretung haben kein ständiges Mandat. Auf dem Papier scheint es also Mitglieder erster und zweiter Klasse zu geben. In der praktischen Zusammenarbeit ist dies zum Glück nicht der Fall.
Sie kritisieren, dass Fernsehrät*innen bei ihrer Arbeit teils auf ganz unterschiedliche Ressourcen zurückgreifen können. Worin besteht dieses Ungleichgewicht? Schließlich arbeiten doch alle Fernsehrät*innen ehrenamtlich und bekommen dieselbe Aufwandsentschädigung.
Das ist grundsätzlich korrekt. Bei den Staatsvertreter*innen besteht aber die Möglichkeit das ein Büro oder ganzes Referat die Sitzungen vorbereitet. Sie nehmen auch im Rahmen ihrer dienstlichen Tätigkeit an den Sitzungen teil. Das ist sozusagen Teil ihrer Aufgaben. Zumindest was den Rahmen der dienstlichen Tätigkeit angeht, trifft dies auch auf einige Vertreter*innen großer Organisationen zu. Die meisten der zivilgesellschaftlich bestellten Mitglieder hingegen, welche altersbedingt noch Lohnarbeit verrichten müssen, müssen für die Sitzungen von Ausschüssen und Plenum Erholungsurlaub nehmen. Und das, was wir da in Ausschüssen verrichten, ist kein Erholungsurlaub, sondern Arbeit.
Wie lässt sich dieses Ungleichgewicht beheben?
Es sollten zumindest alle Mitglieder für Vorbereitung – die Unterlagen müssen ja auch noch gelesen werden – und Sitzungen freigestellt werden. Gerne natürlich mit finanziellem Ausgleich an die Arbeitgeber*innen. Da verzichte ich dann auch gerne auf das Sitzungsgeld pro Tag.
Sie kritisieren auch Freundeskreise, in denen sich Gleichgesinnte meist nach parteipolitischen Präferenzen zusammenschließen. Warum?
Ich kritisiere nicht den Zusammenschluss Gleichgesinnter, aber das Machtzentrum, welches daraus erwächst. Die zwei Freundeskreise legen paritätisch fest, wer Vorsitz und stellvertretenden Vorsitz in den Ausschüssen besetzt, wer in den Verwaltungsrat und wer in das Präsidium des Fernsehrates gewählt wird. Ohne Mitarbeit in einem Freundeskreis oder Verbindungen in einen solchen wird das schwer bis unmöglich. Auch dass die Vorsitzenden der Freundeskreise den Vorsitz der Ausschüsse Chefredaktion und Strategie und Koordinierung aufteilen, kritisiere ich. Ich möchte niemandem die Kompetenz absprechen, aber weniger Machtagieren wäre an mancher Stelle sehr hilfreich.
Braucht es denn nicht aber irgendeine Möglichkeit der Vororganisation und Mehrheitsbildung?
Wie gesagt, sich mit Gleichgesinnten zusammenzuschließen, finde ich grundsätzlich gut und wichtig. Ob dies nun anhand von Parteizugehörigkeiten und deren Loyalitäten festgemacht werden müssen, wage ich zu bezweifeln. Ich wäre für eine thematische Zusammenkunft. Geclusterte Freundeskreise fände ich interessanter.
Was würden Sie noch ändern? Wie sieht für sie der ideale ZDF-Fernsehrat aus?
Ich wünsche mir sehr, dass gerade Schwarze Menschen und auch Rom*nja und Sinti*zze endlich einen Sitz im Fernsehrat erhalten. Und zwar dauerhaft. Der Fernsehrat ist doch noch sehr weiß und relativ alt. Eine tatsächliche Repräsentation der Gesellschaft fände ich sehr angesagt und notwendig. Gerade auch auf unterschiedliche Klassen bezogen und intersektional gedacht.
Jenny Luca Renner sitzt seit 2016 im ZDF-Fernsehrat und vertritt dort im Auftrag des Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) den Bereich LSBTTIQ*. Im ZDF-Fernsehrat hat Renner außerdem den stellvertretenden Vorsitz im Ausschuss Programmdirektion inne.